Von der einfachen Dorfbäckerei zur Confiserie.

Die Geschichte des Dästerhauses – 1870 bis 1988

Dem Dästerhaus im Herzen von Langenthal kommt eine wichtige Funktion im heutigen Stadtbild zu. Umso erfreulicher ist, dass ab August 2025 wieder Leben ins zentrale Eckgebäude einkehren wird (vgl. MYLA Printausgabe Juni 2025). Parallel zur Aufarbeitung der gegenwärtigen Ereignisse haben uns die Vorbesitzer, Jürg und Annelies Däster, den nachfolgenden historischen Text zur Verfügung gestellt. Jürgs Vater Willi Däster lässt darin die Geschichte des Dästerhauses von 1870 bis 1988 Revue passieren. Tauche ein und erlebe ein Stück Langenthaler Geschichte!

30.04.2025 STADTMAGAZIN LANGENTHAL – am Mittwoch 30. April 2025 in Langenthal. Foto Marcel Bieri

Text: Gastbeitrag / Willi Däster (1988)
Datum: 2. Juni 2025

Das «Dästerhaus» – an der Farbgasse 9 und am Zentralplatz in Langenthal gelegen – wurde zwischen 1860 und 1870 erbaut. Bauherr war ein Mühlenbesitzer namens Hellmüller aus dem luzernischen Hinterland. Seit 1870 wird in diesem Haus eine Bäckerei betrieben. Anfangs 1880 erwarb Bäckermeister Hans Grogg die Liegenschaft. Volle vierzig Jahre war er dort in seinem Berufe tätig. 1920 übernahm Ernst Däster Haus und Geschäft. Nach achtundzwanzig Jahren, also 1948, gab er beides weiter an seinen Sohn, den diplomierten Konditormeister Willi Däster-Kummer. Seit 1983 führt Jürg Däster-Reifler – auch er diplomierter Konditormeister – das Familienunternehmen. Seit achtundsechzig Jahren werkten und wirken drei Generationen in dem prächtigen Haus. Aus der einfachen Dorfbäckerei von einst ist eine weit über die Gemeinde hinaus bekannte und geschätzte Confiserie geworden.
Ob Ernst, Willi oder Jürg Däster: Jeder von ihnen fühlte sich der Qualität verpflichtet und ihr Name ist zu einem Gütezeichen geworden.

Werfen wir nochmals einen Blick zurück in die «gute, alte Zeit», in die Jahre 1880 bis 1920, als Hans Grogg in der Backstube hantierte. Die Betriebseinrichtungen beschränkten sich auf das Allernotwendigste. Es gab keine Maschinen und keinen elektrischen Strom. Was getan werden musste, geschah von der Morgenfrühe (wenn im Dorf noch alles schlief) bis zum Abend mit schwerster Handarbeit. Gebacken und verkauft wurde in einem Raum, der mit Gaslicht notdürftig erhellt war. Das Wasser musste von einem grossen Brunnen im Hinterhof kesselweise in die Backstube getragen werden. Das blieb auch den Hausbewohnern nicht erspart.
Und wenn die monatliche «grosse Wäsche» fällig war, schleppten die Frauen alles, was dazu gehörte, in den Hof hinunter – ob die Sonne schien, ob es Bindfaden regnete oder ob alles Stein und Bein gefroren war. Das war harte Knochenarbeit für weibliche Wesen.

Patriarchalischer Geist durchwehte das Haus Grogg. Der Bäckermeister war auch Meister im umfassenden Sinne: sein Wort war Gesetz. Trotzdem wurden die zwischenmenschlichen Beziehungen intensiv gepflegt. Abends, nach getanem Tagewerk, versammelte sich die Familie mit den Dienstboten zu gemütlichem Zusammensein in der Stube. Hans Grogg hielt ein offenes Haus: Nicht selten fanden sich in kalter Winterzeit «Brüder der Landstrasse» ein, um sich am Backofen zu wärmen. – Unter dem gleichen Dach wohnte auch eine Tante des Bäckermeisters. Sie führte eine Kostgeberei. Neben anderen gehörte zu ihren Gästen der spätere Bundesrat Numa Droz (1844–1899). Sogar ein Zahnarzt hatte sich an der Farbgasse 9 etabliert. Die zu Recht gefürchtete Bohrmaschine hat dieser Medicus noch mit dem Fuss betätigt – nicht gerade zum Vergnügen seiner Patienten!

Eigentlich hätte Hans Grogg junior vom Vater die Bäckerei übernehmen sollen, und von 1902 bis 1911 hat er tatsächlich auch in der Backstube gearbeitet. Aber glücklich war er dabei nicht gewesen, denn seine unzweifelhaften pädagogischen Talente wollten sich in einer Schulstube entwickeln. So las er fleissig die Zeitungen, in die damals die Brotlaibe beim Vertragen an die Kundschaft eingewickelt wurden, und nachts schlug er Bücher auf, statt zu schlafen. Sein Wunsch wurde erfüllt. Er schaffte die Aufnahme ins Seminar und war in Langenthal viele Jahre als geschätzter Primarlehrer tätig.
Ernst Däster-Herzig bezeugte allerhand Mut und viel Zuversicht, als er 1920 von Hans Grogg Haus und Bäckerei käuflich erwarb. Er musste erhebliche finanzielle Mittel aufwenden, um den veralteten Betrieb zu modernisieren. Zudem baute er einen adretten Verkaufsladen, dem er noch ein kleines Kaffeestübli angliederte. Mit Tatkraft, Initiative und mit unermüdlicher Arbeit schaffte er den Weg in die Zukunft.

Gegenüber dem «Dästerhaus» stand damals noch die «Alte Markthalle» auf dem heutigen Zentralplatz. Und an Markttagen, wenn die Halle voll war von Leuten und wenn auf den Strassen die Marktstände sich aneinander reihten, war bei Dästers Hochbetrieb. Marktfahrer und Marktbesucher drängten sich im Laden, im Kaffeestübli, ja sogar im Hausflur! Ofenfrischer Apfelkuchen mit Nidle oder die herrlichen, reichlich mit feiner Haselnussmasse gefüllten Gipfel, beides begleitet von dampfendem Kaffee – das waren Dästers grosse «Hits». Zusammen mit dem «chüstigen» Brot haben sie seinen Namen bekannt gemacht.

Die Farbgasse um 1916: Links im Vordergrund das Dästerhaus, dahinter die alte Markthalle auf dem damaligen Zentralplatz (heute Dästerplatz). – Screenshot/zvg

Als Ende der Zwanzigerjahre nach dem Börsenkrach in New York die grosse Krise über Europa und auch über die Schweiz hereinbrach, als die Arbeitslosenzahlen beängstigend in die Höhe schnellten und viele Familien kaum mehr das Nötigste zum Leben besassen, brachen auch für die Bäckerei Däster schwere Jahre an. Aber sie wurden gemeistert. – Von Anfang an war bestimmt, dass der älteste Sohn Willi dereinst den Betrieb zu führen hatte. Vater Däster legte grossen Wert darauf, ihm eine gute berufliche Ausbildung und Schulung als Konditor-Confiseur angedeihen zu lassen. Als der Sohn ins väterliche Geschäft eintrat, konnten Produktion und Sortiment erheblich erweitert werden. Pralinés, Konfekt, Apérogebäck, schön dekorierte Torten und Cakes, variantenreiche Desserts und Schokoladespezialitäten – alles im eigenen Betrieb hergestellt – entzückten und lockten nun die Augen und Gaumen der Kunden.

Und kaum hatte das alles so schön und vielversprechend begonnen, brach 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Die Männer wurden unter die Fahnen gerufen, blieben für die Dauer des Aktivdienstes bis 1945 oft während Monaten weg, und zu Hause mussten sich die Frauen um Geschäft und Kinder kümmern. Zusätzlich erschwert wurde die Lage noch durch die im Landesinteresse verordnete Rationierung aller Lebensmittel und Rohstoffe und der Ausgabe von Rationierungskarten an die Bevölkerung. Die Rohstoffkontingente für Konditoreien erfuhren dauernd Kürzungen. Mit Ersatzstoffen und vielen Einschränkungen musste gearbeitet werden. Trotzdem – es gelang, diese Zeit der Prüfungen zu überstehen.

1948 übernahm Willi Däster das Geschäft von seinen Eltern. Und wie schon sein Vater achtundzwanzig Jahre zuvor, musste auch der Sohn Betrieb und Laden umbauen und modernisieren. Anfangs November 1948 präsentierte sich der Kundschaft eine neue, gediegen eingerichtete Konditorei mit Tea-Room.
Vierunddreissig Jahre haben Willi und Alma Däster sich mit Erfolg bemüht, feine Süssigkeiten herzustellen – Dinge, die das Essen und das Leben der Menschen verschönern. Sie haben das Vertrauenskapital im Namen Däster gemehrt.

Mit Jürg und Annelies Däster-Reifler haben seit dem 1. Januar 1983 jüngere Kräfte das gut florierende Familienunternehmen in ihre Hände genommen. Jürg, ältester Sohn von Willi Däster und – wie sein Vater – diplomierter Konditor- und Confiseurmeister, vertritt die dritte Generation dieses traditionsreichen Namens. Wie Vater und Grossvater Däster, hat auch er seine «Epoche» mit einem grosszügigen Umbau begonnen. Das stattliche Haus am Zentralplatz beherbergt heute einen modernen und bestens eingerichteten Confiseriebetrieb, in dessen Räumen berufliches Können, geübte Handarbeit und neuzeitliche Maschinen und Geräte sich zu einem gut funktionierenden Ganzen finden – ein Betrieb, in dem das Arbeiten wirklich Freude bereitet.

11. Januar 1988
Willi Däster / zvg


Dieser Text von Willi Däster wurde für die Veröffentlichung bei MYLA nur minimal lektoriert; er ist nach wie vor sehr nah am Originaltext von 1988.

MYLA bedankt sich bei Jürg und Annelies Däster für die Einwilligung zur Veröffentlichung. Wir wünschen den beiden einen schönen Ruhestand, viel Freude in ihrem neuen (alten) Zuhause in der Rankmatte sowie immerfort ein Lächeln und gute Erinnerungen, wenn sie an ihrem früheren Wohn- und Arbeitsort, dem Dästerhaus, vorübergehen mögen.

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